14
„Du warst es nicht“, sagte ich zu Raphael, sobald ich in der Lage war, mich von ihm zu lösen.
„Was war ich nicht?“, fragte er. Er spähte in die Dunkelheit, die uns umgab.
„Du hast Tanya nicht umgebracht.“
Er wandte sich langsam um und blickte mich an.
„Ich bin entzückt zu hören, dass du mich nicht für einen Mörder hältst.“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube schon, dass du jemanden töten könntest, wenn du einen Grund dazu hättest, aber zufällig weiß ich, dass du Tanya nicht getötet hast.“
Er packte mich bei den Armen und starrte mir angespannt in die Augen.
„Woher weißt du das? Was hast du gesehen?“
„Ich habe nicht gesehen, wer sie getötet hat, wenn du das wissen willst.“
Er seufzte erleichtert auf und ließ meine Arme los.
Er hörte allerdings nicht damit auf, den Wald um uns herum abzusuchen.
„Aber ich habe ihren Hals gesehen. Ich weiß, wer sie als Einziger ermordet haben kann. Angesichts der Art der ... Verletzung und der Tatsache, dass nicht ein einziger Blutstropfen übrig ist, ist der Einzige, der sie getötet haben kann, ein ...“
„Vampir?“, fragte er. Er hockte sich hin, um den Boden zu untersuchen.
Ich nickte, bis mir klar wurde, dass er mich gar nicht ansah. Also sagte ich: „Ja, ich weiß, dass du nicht an sie glaubst - Gott weiß, ich habe auch nicht daran geglaubt, ehe ich hierherkam und jemand einfach so in meine Gedanken eingedrungen ist -, aber selbst du musst doch zugeben, dass ihr Tod genauso aussieht, wie man es bei einem Vampir erwarten würde.“
„Ja, das ist wohl wahr“, stimmte er mir zu. Jetzt untersuchte er den Boden um den Baum herum. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was er zu finden hoffte, da der weiche Untergrund aus Tannennadeln der Bildung von Fußspuren und anderen hilfreichen Hinweisen nicht eben förderlich sein konnte, aber er suchte trotzdem.
Und das kam mir auf einmal ziemlich merkwürdig vor. „Was genau machst du da eigentlich?“
Er ignorierte meine Frage und tippte sich mit einem Finger ans Kinn, bevor er auf mich zukam und mir beide Hände auf die Schultern legte. Seine Augen waren getrübt vor Sorge und Unruhe. „Ich weiß, es ist viel verlangt, aber könntest du ein paar Minuten allein hierbleiben, bis die Polizei kommt?“
Ich blinzelte ihn an. „Die Polizei?“
Er nickte. „Sie sollte bald hier sein.“
„Hast du sie angerufen?“
„Natürlich. Ich weiß, das wird sicher nicht angenehm für dich sein, ganz allein zu warten, aber ich muss jetzt gehen, bevor die Polizei kommt. Ich ... äh... muss Dominic berichten, was passiert ist.“ Er sprach steif und zögerlich.
„Für dich besteht überhaupt keine Gefahr, ich bin nur ein paar Minuten weg.“
Ich starrte ihn an, dann blickte ich zu Tanyas Leiche hinüber. Eigentlich wollte ich auf gar keinen Fall mit ihr alleine sein, aber es wurde immer deutlicher, dass Raphael jeden Kontakt mit der Polizei scheute.
Obwohl ich der Auffassung war, dass es nichts nützte, vor einem Problem davonzulaufen, war dies wohl kaum der geeignete Zeitpunkt, um ihm einen Vortrag darüber zu halten, sich endlich seiner Vergangenheit zu stellen, oder was immer ihm solche Probleme bereitete. „Okay. Ich bleib hier.“
Er schaute leicht erstaunt drein, dass ich seinem Vorschlag ohne langes Zögern zustimmte. „Es macht dir nichts aus? Hast du denn keine Angst?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Tanya wird mir nichts Schlimmes antun und ihr Mörder mit Gewissheit auch nicht.“ Schließlich hatte er erst heute am frühen Abend geschworen, dass er mir nie wehtun würde. „Geh ruhig. Ich warte hier auf die Polizei.“
Raphael öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn wieder und öffnete ihn erneut mit einem leichten Kopfschütteln. „Wir beide werden ein sehr ausführliches Gespräch führen, sobald ich es irgendwie einrichten kann.“
„Gut“, sagte ich, schlang meine Arme um seine Taille und umarmte ihn. „Ich habe nämlich eine ganze Menge Fragen, die ich unbedingt beantwortet haben möchte.“
Er schüttelte erneut den Kopf, sagte mir, was ich der Polizei erzählen sollte, wenn sie eintraf, und verschwand in die Nacht.
Als ich ihm nachsah, schossen mir immer wieder Fragen durch den Kopf. Was hast du hier gemacht, statt dich um deinen Job auf dem Markt zu kümmern?
Was hast du vom Boden neben Tanya aufgehoben?
Was verschweigst du über deine Vergangenheit?
Und wie hast du die Wahrheit über den armen Christian herausgefunden?
Armer Christian. Die Worte hallten in meinem Kopf wider, als ich zu Tanyas leblosem Körper hinüberblickte. Der arme Christian hatte ihr das angetan.
Der arme Christian hatte ihr brutal die Kehle aufgerissen und sie ausgesaugt. Schon bei dem Gedanken daran überlief mich ein Schaudern. Mir wurde schlecht angesichts der nüchternen Realität der wahren Natur eines der Dunklen. An der Art, wie er sich an ihr labte, war nichts, aber auch gar nichts Romantisches oder Erotisches, ganz im Gegensatz zu den Beschreibungen in seinen Büchern.
Tanyas Leben war ihr in einem Akt brutaler Grausamkeit geraubt worden, sie war auf bestialische Weise abgeschlachtet worden. Mein Magen verkrampfte sich, als ich die unleugbare Wahrheit erkannte: Christian war extrem gefährlich, ein gewissenloser Mörder.
Und er war irrsinnig eifersüchtig auf den Mann, den ich liebte.
Noch bevor ich eine Lösung gefunden hatte, was ich denn wegen Christian unternehmen sollte, traf die Polizei ein. Streifenwagen strömten auf den hoteleigenen Parkplatz, ihre Lichter blitzten hell auf, als sie jetzt einen Halbkreis um den Bereich bildeten, wo ich wartete. Ich war überrascht, so viele Polizisten zu sehen, denn eigentlich hatte ich vermutet, dass Raphael nur eine kurze Meldung darüber gemacht hatte, dass eine Leiche entdeckt worden war. Doch dann bekam ich Gewissensbisse, weil ich so schlecht über ihn dachte. Er mochte kein unbeschriebenes Blatt bei der Polizei sein, aber das hieß noch lange nicht, dass er sich vor seiner Pflicht drückte.
Ein älterer Mann mit grau meliertem Haar und einem großen Schnurrbart kam zu mir herübergeschlendert. Er fragte mich etwas auf Tschechisch.
Ich schüttelte den Kopf, zeigte auf Tanya und antwortete auf Deutsch. „Raphael, der Mann, der Sie angerufen hat, hat mir aufgetragen, hier bei ihr zu bleiben, während er zurück zum Markt geht, um die Besitzer darüber zu informieren, was passiert ist.“
„Raphael?“, fragte der Mann auf Englisch, wenn auch mit starkem Akzent. Er konsultierte den Notizblock, den ihm einer seiner Vasallen in die Hände drückte. „Raphael Saint Johan?“
„St. John“, korrigierte ich. „Genau genommen spricht man es ,Sindschun' aus.
Er ist nämlich Brite, müssen Sie wissen.“ Der Mann starrte mich an.
„Die machen so was. Mit ihren Namen, meine ich.“
Er starrte mich weiter an, bis er schließlich mit bedächtigen Bewegungen einen Bleistift aus der Tasche holte, an der Spitze leckte und sich etwas notierte. „Ich bin mit den Briten vertraut, Madam. Ich habe in meiner Jugend die Universität von Oxford besucht.“
„Oh. Tut mir leid.“
Er neigte den Kopf zum Zeichen, dass er meine Entschuldigung akzeptierte.
„Ich bin Inspektor Jan Bartos von der Polizei in Brno. Ihr Name?“
Ich nannte ihn ihm. Er notierte sich die Information, dass ich in dem Hotel wohnte, meine Heimatadresse, und was ich in der Tschechischen Republik machte. Dann warnte er mich, dass er meine Auskünfte anhand meines Passes überprüfen würde.
„Kein Problem, ich habe nichts zu verbergen“, sagte ich. Ich warf kurz einen Blick über meine Schulter, um nachzusehen, ob Raphael endlich zurückgekommen war. „Ich war gerade auf dem Weg ins Hotel zurück, als ich Tanya fand. Raphael ist mir dann zufällig begegnet, nachdem er Sie angerufen hat. Das ist alles.“
„Tanya? Sie kennen das Opfer?“
„Flüchtig. Das heißt, ich habe sie kennengelernt und ein paarmal mit ihr geredet.“ Wenn man die Drohungen und Beschimpfungen, die sie mir an den Kopf geworfen hatte, so nennen konnte. „Aber so richtig gekannt habe ich sie eigentlich nicht. Sie hat auf dem Gothic-Markt gearbeitet. Ich bin nur als Touristin hier.“
Er machte sich wieder Notizen. „Sie arbeiten also nicht auf dem Markt?“
„Nein.“ Sobald ich das Wort ausgesprochen hatte, fühlte ich mich bemüßigt, es genauer zu erklären, nur für den Fall, dass die Polizei jemanden von den Leuten befragte, für die ich die Runen gelegt hatte.
„Das heißt, eigentlich arbeite ich nicht für sie, aber heute Abend habe ich hier die Runen gedeutet.“
„Sie deuten ... ?“
„Runensteine. Das sind kleine Steine, auf denen sich Runen befinden. Es ist ein bisschen so wie Karten legen, nur anders. Hier, ich hab meine Steine dabei, ich kann sie Ihnen zeigen.“ Ich zog den schwarzen Samtbeutel aus meiner Handtasche und nahm einen Amethyst heraus. „Sehen Sie? Das sind Amethyste. Damit habe ich heute Abend auf dem Markt gearbeitet, aber sonst mache ich das hier nicht. Na ja, bis auf das eine Mal vor ein paar Tagen, aber das war etwas Besonderes.“
„Verstehe.“ Er wirkte nicht so, als ob er verstünde, sondern als wenn er gerade über meinem Kopf eine Leuchtschrift entdeckt hätte, die für alle Welt sichtbar HAUPTVERDÄCHTIGE verkündete.
„Es war eine Wette, nur eine blöde Wette zwischen meiner Freundin und Tanya.“
Inspektor Bartos blickte stirnrunzelnd auf die Spitze seines Stiftes, stopfte sich das Notizbuch unter den Arm und klopfte seine Taschen ab, bis er ein kleines schwarzes Objekt aus einer von ihnen herauszog.
Vorsichtig führte er die Bleistiftspitze in den Spitzer ein und begann, den Stift mit äußerster Präzision zu drehen. Währenddessen lugte aus einem Mundwinkel seine Zungenspitze hervor. Ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht zu kichern.
„Also“, sagte er, als er mit seiner Aufgabe fertig war. Ich wartete darauf, dass er wieder an der Spitze lecken würde, und er sah auch so aus, als ob er das vorhatte, aber dann überlegte er es sich in letzter Sekunde doch noch anders.
„Sie werden mir jetzt bitte erzählen, was das für eine Wette war, die Sie mit dem Opfer abgeschlossen hatten.“
Wieder sah ich über meine Schulter zurück, in der Hoffnung, einen großen Mann mit wunderschönen Bernsteinaugen zu erblicken, der den Hügel hinaufmarschiert kam, aber es war weit und breit nichts zu sehen als Polizisten, die über das ganze Gelände ausgeschwärmt waren, um ein ziemlich großes Gebiet um Tanyas Leiche herum abzusperren.
„Das war nicht meine Wette, sondern die meiner Freundin Roxy. Roxanne Benner. Wir reisen zusammen. Tanya hat ein paar hässliche Dinge über mich gesagt, deshalb hat Roxy ihr ganzes Geld darauf gesetzt, dass ich Runen deuten kann. Das war alles.“
„Tatsächlich?“ Er machte sich wieder Notizen. Es war ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass alles, was ich sagte, niedergeschrieben wurde.
„Ja.“
„Tanya hat eine große Geldsumme an Ihre Freundin verloren, stimmt das? Sie war wütend?“
Ich lächelte ihn gequält an. „Nicht auf Roxy, nein. Es hatte eigentlich gar nichts mit den beiden zu tun, müssen Sie wissen. Es lag nur an ... „
Ich schloss den Mund, bevor ich das Wort „mir“ aussprechen konnte, und schluckte nervös.
„Ja? Wer war der Grund für diese Wette?“
„Ahm. Tja, eigentlich ging es nicht unbedingt um eine bestimmte Person. Es waren eine ganze Menge Leute beteiligt.“
„Verstehe.“
Diesmal hatte ich das Gefühl, er verstand tatsächlich. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass er mein jämmerliches Gestammel durchschaute, bis hin zu der hässlichen Tatsache, dass Tanya mich auf den Tod nicht ausstehen konnte. Zu der HAUPTVERDÄCHTIGE-Leuchtschrift über meinem Kopf gesellten sich jetzt auch noch rote Pfeile, die geradewegs auf mich zeigten.
„Ich werde mich später noch weiter mit Ihnen unterhalten müssen.“ Inspektor Bartos fügte eine letzte Notiz hinzu und sah mich mit einem kühlen, abwägenden Blick an. „Ich werde Sie dann sicher im Hotel finden können?“
Ich hoffte, die Dunkelheit verbarg die Röte, die meine Wangen überzog. „Äm ... na ja, entweder dort oder ... äh ... Raphael hat einen Wohnwagen auf der anderen Seite des Marktes. Es ist der blaue, auf dessen Seite eine riesige rote Hand abgebildet ist. Falls ich nicht im Hotel sein sollte, finden Sie mich dort.“
Er schürzte die Lippen und zog sein Notizbuch wieder aus der Tasche. „Sie arbeiten also nicht für den Gothic-Markt, aber Sie lesen dort Runen. Sie sind das Objekt einer Wette mit Mitarbeitern des Marktes und Sie sind“, er warf mir einen schwer zu deutenden Blick zu, „mit einem der Angestellten näher bekannt. Trifft das zu?“
Ich rollte die Zehen in meinen Schuhen zusammen und wünschte, ich befände mich irgendwo anders, ganz egal wo. „Naja, wenn Sie es so sagen, klingt es ganz schön verdächtig, aber eigentlich ist alles völlig harmlos.“
„Sie kennen Mr Raphael St. John jetzt wie lange?“
„Tja, also,das ist vielleicht nicht ganz so harmlos. Ich meine, es ist schon harmlos, weil wir ja nichts Schlimmes tun, aber es ist wiederum nicht harmlos, weil wir ... ahm ... Sachen machen, die ... nicht ganz so harmlos sind. Zusammen. Miteinander, meine ich.“
Ich räusperte mich und bemühte mich so auszusehen, als ob ich nicht gerade zugegeben hätte, ein Flittchen zu sein.
„Wie lange kennen Sie Mr St. John?“, wiederholte der Inspektor.
Meine Schamesröte legte noch ein paar Nuancen zu. Wenn das so weiterging, konnte ich auf meinen Wangen bald Eier braten.
„So ungefähr vier Tage“, murmelte ich an meine Schuhe gewandt.
„Ich konnte Sie nicht hören.“
„Ungefähr vier Tage“, sagte ich lauter und starrte auf sein Kinn. „Vier lange Tage. Das ist ganz schön lang. Und sehr ereignisreich, könnte man sagen.“
„Verstehe“, bemerkte er erneut.
„Kann ich jetzt gehen?“
Er nickte und trat zur Seite, um den Weg auf den Parkplatz freizugeben.
„Nein, danke. Ich nehme lieber denselben Weg zurück, den ich gekommen bin“, sagte ich und zeigte auf die Bäume.
Er war gerade im Begriff, sein Notizbuch zu verstauen, doch jetzt hielt er inne und warf mir einen gequälten Blick zu, als er die Seiten durchblätterte, bis er die Notizen fand, die er gerade gemacht hatte.
„Sie haben angegeben, dass Sie auf dem Weg zurück ins Hotel waren, um ein Bad zu nehmen, als Sie das Opfer fanden.“
„Ja. Aber jetzt will ich nicht mehr baden. Ich möchte lieber ...“ Diesmal zog mein Gehirn die Notbremse, bevor ich mich noch mit einer weiteren Aussage selbst belastete.
„Verstehe“, sagte er. Ich hatte gewusst, dass er das antworten würde. „Ihr Pass bleibt vorläufig bei der Polizei. Sie dürfen Blansko nicht verlassen, bis Sie ihn zurückbekommen.“
Ich nickte, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte, und ging rasch an ihm vorbei. Ich war entkommen!
Als ich gerade die mit dem Tatort beschäftigten Polizisten weitläufig umgangen hatte und nun den schlüpfrigen, mit Kiefernnadeln bedeckten Abhang hinunterklettern wollte, rief Inspektor Bartos meinen Namen. Ich blieb stehen und sah zu ihm zurück.
„Wer hat die Wette gewonnen?“
„Ich“, erwiderte ich.
„Ah. Und wie hat das Opfer reagiert?“
Ich starrte ihn an, unfähig, seine Frage zu beantworten. Er nickte jedoch, als ob ich es getan hätte, und gab mir mit einem Wink zu verstehen, dass ich gehen konnte. Ich wartete nicht ab, ob er seine Meinung vielleicht noch ändern würde, sondern eilte den Hügel hinab und lief auf die Lichter und die Menschen des Marktes zu.
„Wo ist Christian?“, fragte ich Roxy kurze Zeit später. Sie unterhielt sich mit einem der Arbeiter des Gothic-Markts, der zu Raphaels Sicherheitskräften abkommandiert worden war.
„Mmm? Oh, der ist vor einer Weile gegangen. Er meinte, er hätte keine Lust, sich die Bands noch mal anzuhören. Kann ich ihm nicht verdenken. Der Typ von Six Inches of Slime klingt mit gebrochener Nase auch nicht besser.“
„Verdammt! Hast du Raphael gesehen?“
„Nö. Hast du vielleicht Raphael gesehen, Henri?“, erkundigte sie sich bei dem leicht übergewichtigen Mann, der nervös die Menschenmenge beobachtete.
„Der war gerade eben noch hier. Er hat Dominic und Milos gesucht“, sagte Henri.
Ich zog Roxy ein Stückchen weg und blickte mich um, um mich zu vergewissern, dass sich niemand in Hörweite befand. Das war der letzte Abend des eigentlichen Marktes und es war gar nicht so einfach, genug Raum zum Atmen zu finden, geschweige denn einen Platz, wo man sich in Ruhe unterhalten konnte. „Komm mit“, forderte ich sie auf und zog sie durch die Menge, bis wir uns hinter einer Reihe mobiler Toilettenhäuschen befanden.
„Was ist denn in dich gefahren? Henri hat mir gerade den ganzen Klatsch und Tratsch über die Bands verraten. Was sollen wir denn hier?“, fragte sie und starrte angewidert auf die Rückwände der Klohäuschen.
„Weil sonst keiner hierherkommen möchte. Hör mal zu, ich muss dir unbedingt was erzählen, aber du musst versprechen, dass du es für dich behältst, okay?“
„Schon wieder? Das sind jetzt schon zwei Riesengeheimnisse in genauso vielen Tagen. Hast du eine Ahnung, wie viel Schweigegeld dich das kosten wird?“
„Es ist ernst, Rox. Tanya ist tot.“
Sie starrte mich mit offenem Mund an.
Ich nickte. „Raphael hat sie gefunden und dann habe ich ihn gefunden. Ich vermute mal, er ist jetzt bei Dominic, um ihm davon zu erzählen. Ich hab schon mit der Polizei gesprochen, aber das Schlimmste ist“, ich blickte mich noch einmal um, damit ich sicher sein konnte, dass uns niemand belauschte, „ihr wurde die Kehle aufgerissen.“
„Aufgerissen? Als ob sie von einem Tier angegriffen wurde?“
„Nein“, entgegnete ich und ließ sie nicht aus den Augen.
„Als ob sie von einem Vampir umgebracht worden wäre. Es gab kein Blut, Roxy, gar nichts. Irgendjemand hat ihr die Kehle aufgerissen und ihr jeden einzelnen Blutstropfen aus dem Körper gesaugt.“
Sie schlug die Hand vor ihren Mund, als ob sie sich davon abhalten wollte loszuschreien. Ich hätte jedenfalls die größte Lust dazu gehabt. „Oh mein Gott, du glaubst doch nicht etwa ... Christian?“
„Ich kenne in der Gegend hier sonst keine anderen Vampire. Du etwa? Oh Mann, und das ist ganz allein meine Schuld. Ich hatte doch keine Ahnung, dass er so leicht die Kontrolle über sich verlieren würde. Ich dachte, wenn er es seit neunhundert Jahren aushält, dann hält er auch noch ein bisschen länger durch, bis wir seine Geliebte gefunden haben. Ich schätze mal, ihm ist schließlich doch klar geworden, dass ich es jedenfalls nicht bin, und dann ist er einfach Amok gelaufen.“
„Oh mein Gott“, sagte Roxy noch einmal. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
„Christian ... Wer hätte das gedacht? Zu uns war er so nett.“
„Ich muss ihn unbedingt finden und beruhigen und zur Vernunft bringen. Ich muss dafür sorgen, dass er so etwas nie wieder tut.“
„Und wie willst du das anstellen?“
„Ich weiß nicht“, wimmerte ich. Ich machte mich auf den Weg an den Toiletten vorbei zurück zum Rest der Menschheit. „Aber ich muss mich auf jeden Fall beeilen, bevor sich am Ende noch jemand anders zusammenreimt, was passiert ist, sonst findet sich der berühmte, zurückgezogen lebende Schriftsteller C. J. Dante bald am gefährlichen Ende eines spitzen Pfahls wieder.“
Roxy und ich suchten den ganzen Platz ab, fanden Christian aber nicht. Wir sahen Raphael und Dominic, die in ein ernstes Gespräch vertieft waren, während neben ihnen ein schweigender Milos stand.
Arielles Tarotbude war dunkel und leer, deshalb nahm ich an, dass man ihr den Tod ihrer Schwester mitgeteilt hatte. Roxy bot an, ihr Gesellschaft zu leisten, nachdem ich mir von einem netten Pärchen ein Handy geliehen und erfolglos versucht hatte, Christian in seinem Schloss zu erreichen.
„Ich habe mich mit Demeter unterhalten“, berichtete mir Roxy nach einem kurzen Plausch mit der Frau von der Aurafotografie. „Sie sagt, dass Paal Arielle zu ihrem Wohnwagen begleitet hat und Renée bei ihr ist. Mittlerweile wissen alle hier Bescheid darüber, was Tanya zugestoßen ist.“
„Das musste ja früher oder später rauskommen“, sagte ich und tippte mir gedankenverloren mit dem Finger gegen die Unterlippe. Ich fragte mich laut, wohin Christian sich wohl zurückgezogen haben könnte und wie ich ihn bloß finden sollte.
„Das ist leicht. Du musst ihn rufen“, schlug Roxy vor.
„Das hab ich gerade versucht. Ich glaube, ich habe seine Haushälterin aufgeweckt. Die sagte mir jedenfalls, dass er den Abend außer Haus verbringe und sie nicht weiß, wann er zurückkommt, und dass ich doch bitte nicht noch mal so spät anrufen solle, weil sie in aller Herrgottsfrühe aufstehen müsse, um sich auf das Festival vorzubereiten.“
„Doch nicht so! Nicht anrufen, du sollst diese vulkanische Gedankenverschmelzung nutzen oder eben diese Sache, von der du erzählt hast.“
Bei dem bloßen Gedanken an eine derartige Intimität mit einem Mann, der einen anderen Menschen auf brutalste Weise umbringen konnte, überzog Gänsehaut meine Arme. „Nein, vielen Dank.“
Roxy drehte sich zu mir um. „Warum? Wovor hast du Angst? Er hat geschworen, dir niemals wehzutun.“
Ich rieb mir über die Arme. „Ich habe einfach Angst, okay?“
Sie lächelte zaghaft. „Weißt du noch, als wir sieben waren und ich mir den Kopf zwischen der Turnhalle und dem Regenrohr eingeklemmt habe und mich anschließend monatelang nicht mal in die Nähe der Turnhalle gewagt habe? Da bist du mir philosophisch gekommen und hast gesagt, es sei schon in Ordnung, vor etwas Angst zu haben, solange man nicht zulässt, dass die Angst einen kontrolliert.“
„Ich erinnere mich.“ Ich warf ihr einen düsteren Blick zu. „Das hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Verdammt, ich hasse es, wenn du recht hast. Also gut, ich werd mal nachsehen, ob er empfangsbereit ist, aber du bist schuld, wenn er deswegen über mich herfällt und mich verschleppt.“
Sie packte meinen Arm und beobachtete mich.
„Was?“, fragte ich.
„Hast du schon angefangen?“
„Nein!“
„Oh.“ Sie klang enttäuscht. „Und machst du es jetzt?“
„Roxy, das ist doch keine Zirkusnummer. Ich werde es ganz bestimmt nicht tun, solange du mich beobachtest.“
„Warum nicht?“
„Weil das etwas ziemlich ... Intimes ist. Ich kann das nicht, wenn mir jemand zuguckt. Ich muss irgendwo ganz allein sein, damit ich weiß, dass mich keiner sieht.“
Sie blickte sich um. In dem langen Gang, der zum Hauptzelt führte, wo sich gerade die zweite Band für ihren Auftritt bereit machte, standen die Leute dicht gedrängt. Weder der Tarotstand noch der Handlesestand boten ausreichend Privatsphäre. Sie drehte sich mit einem schwachen Grinsen zu mir um. „Ich schätze, es gibt nur einen Platz, den du dafür benutzen kannst.“
Ich nickte. „Raphaels Wohnwagen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Willst du wirklich riskieren, dass Christian an einem Ort über dich herfällt, wo sich zufällig ein Bett befindet - gerade richtig für den überaus bedeutsamen fünften Schritt der Vereinigung?“
„Oh. Das ist ein Argument. Also, was hast du für einen tollen Vorschlag?“
Sie deutete auf die Reihe der Klos vor uns. „Voila! Sofortige Ungestörtheit garantiert.“
Das gefiel mir ganz und gar nicht und ich verbrachte mindestens fünfzehn Minuten damit, eine Alternative zu suchen, aber am Ende stand ich doch ungefähr drei Millionen Jahre an, um ein Klohäuschen zu ergattern. Roxy blieb die ganze Zeit über bei mir, damit mir nicht langweilig wurde. Das sagte sie jedenfalls. Ich vermute, dass sie eigentlich nur darauf aus war, mich doch noch dabei beobachten zu können, wie ich „es tat“.
„Viel Glück!“, rief sie mir nach, als ich die kleine Kabine betrat und die Tür mit einer ganzen Reihe verdutzter Blicke im Rücken schloss. Ich entschied mich, lieber stehen zu bleiben, statt mich hinzusetzen, und schloss die Augen.
Ich versuchte, meinen Geist von allem Überflüssigen freizumachen und ausschließlich an Christian zu denken. Das war gar nicht so leicht bei dem ganzen Krach - mittlerweile war der Auftritt der zweiten Band im Gange -, von der eher unappetitlichen und nicht gerade wohlduftenden Umgebung ganz zu schweigen, aber ich gab mein Bestes, das alles auszublenden.
Ich sandte meine Gedanken aus, um ihn zu finden.
Christian?
Ich empfing eine Art Bild als Bestätigung, dass er sich meiner bewusst war: Christian drehte sich zu mir um, aber er antwortete nicht. Das brachte mich auf einen furchtbaren Gedanken. Vielleicht wusste er nicht mehr, wer ich war.
Vielleicht war er schon so hoffnungslos dem Wahnsinn verfallen, dass er jede Erinnerung an mich verloren hatte?
Christian, ich bin's Joy. Bist du in Ordnung?
Ein schwacher Laut strich an mir vorbei, so leise, dass es auch der Wind hätte sein können, der in den Bäumen seufzte.
Ich weiß, du bist im Moment sehr verletzt und wütend, Christian, aber ich mache mir Sorgen um dich.
Wenn du mir wenigstens sagen könntest, wo du bist und dass alles in Ordnung ist, würde ich mich viel besser fühlen.
Mein Kopf war von Schweigen erfüllt.
Christian? Bitte sag mir doch, dass es dir gut geht.
Er antwortete nicht. Ich versuchte noch einige Minuten lang, Verbindung mit ihm aufzunehmen, aber er reagierte auf nichts von dem, was ich sagte.
„Das war wohl nichts“, sagte ich zu Roxy, als ich die Toilette endlich wieder verließ.
„Du solltest mehr Kleie essen“, riet mir ein kleines Grufti-Girl mit knallig pinkem Haar in perfektem Englisch, kurz bevor sie in dem Klohäuschen verschwand.
Ich ignorierte Roxys Kichern und begann mich von den Klos zu entfernen, völlig erschöpft von dem Versuch, Christian zu kontaktieren.
„Raphael sucht dich. Die Polizei ist hier, aber das darf niemand wissen. Raphael meinte, wir sollten am besten wieder zur Tagesordnung übergehen. Was tust du denn jetzt wegen Christian?“
Ich zuckte mit den Schultern und suchte in der Menschenmenge nach meinem bernsteinäugigen Romeo.
Er stand in der leeren Tarotbude, zusammen mit Dominic und Inspektor Bartos.
„Was kann ich schon tun? Er antwortet mir einfach nicht. Ich weiß, dass er irgendwo da draußen ist, denn ich kann ihn fühlen, aber aus irgendeinem Grund ignoriert er mich. Ich habe schließlich keinerlei Kontrolle über ihn, Rox. Ich kann ihm nicht befehlen, zu mir zu kommen, also gibt es nichts, was ich tun kann, außer zu hoffen, dass er sich irgendwo weit weg von allen Menschen verkrochen hat.“
Sie nickte. „Raphael sagte, die Polizei will sich mit uns allen unterhalten. Ich bin noch nie als Zeugin befragt worden. Das ist doch mal was fürs Tagebuch, oder?“
„So kann man es auch ausdrücken“, sagte ich grimmig, während ich mich auf den Weg zur Tarotbude machte.
Raphael kam erst Stunden später todmüde in seinen Wohnwagen. Ich hatte mich auf seinem Bett zusammengerollt, diesmal vollständig bekleidet, und las in einem der zahlreichen Krimis, die er in sein winziges Regal gestopft hatte.
Ich legte das Buch hin, als er die Tür hinter sich schloss, das Licht löschte und in den Schlafraum kam. „War es sehr schlimm?“, fragte ich.
Er zuckte nur mit einer Schulter, während er sich aus seinem Mantel schälte und sich aus dem Schlafraum lehnte, um ihn auf den winzigen Tisch zu werfen. „Wie es mit der Polizei eben so ist. Es ist immer schlimm, wenn es sich um einen Mord handelt.“ Er drehte sich um und wandte mir sein Gesicht zu. Beide Augenbrauen fuhren in die Höhe, als er nun auf einem Bein balancierte und sich einen Schuh auszog. „Letzte Nacht hast du mir besser gefallen.“
Ich ließ meinen Blick über Jeans und Pullover gleiten. „Ich mir auch, aber ich war nicht sicher, ob du mich überhaupt hier haben willst, nachdem dich die Polizei in die Mangel genommen hat. Ich weiß, welche Angst du davor hattest.“
Mit einem Grunzen zog er sich den zweiten Schuh aus. „Baby, das Einzige, was mich heute Nacht am Leben erhalten hat, war der Gedanke, dass du hier auf mich wartest!“
Fragen? Sicher, ich hatte jede Menge Fragen dazu, was er eigentlich neben Tanyas Leiche gemacht hatte, aber das Wichtigste kam zuerst, und in diesem Augenblick standen Raphaels seelisches und körperliches Wohlbefinden ganz oben auf meiner Prioritätenliste. Ich schubste das Buch vom Bett, als ich ans Fußende rutschte. „Nun gut, dann ist es wohl meine Pflicht als Vertreterin des Humanitätsgedankens, dir jegliche Art von Unterstützung zukommen zu lassen, die erforderlich ist.“
Ich stand auf und schlang meine Arme um seinen Hals, schmiegte meine Hüften an ihn und übersäte seine Lippen mit Küssen. Daraufhin glitten seine Hände unter meinen Pullover und liebkosten meine Brustwarzen durch den BH hindurch, während sein Mund den meinen eroberte.
„Ich bin sehr hilfsbedürftig“, sagte er, während er meine Unterlippe mit zärtlichen kleinen Bissen bedachte. Seine Hände brannten auf meinen Brüsten und er streichelte und knetete sie so lange, bis ich seinem Verlangen nachgab, meine Lippen öffnete und seine herrschsüchtige Zunge mit einem Laut des Wohlgefühls in meinem Mund willkommen hieß.
„Und zwar brauche ich so viel Hilfe, dass vermutlich zahlreiche Einsätze notwendig sein werden.“
„Zahlreich, hmm?“ Ich ließ meine Hände über seinen Rücken nach unten gleiten und streichelte zärtlich die harten Kurven seines Hinterns. „Das Wort gefällt mir.“
Er gab eine Art Knurren von sich, als ich seine Zunge in meinen Mund saugte und ihm gleichzeitig das Hemd aus der Hose zog. Der Druck seiner Hände auf meinen Brüsten verstärkte sich, als ich mit meinen Fingernägeln behutsam über seinen Bauch nach oben bis zu seiner Brust fuhr.
„Nippel“, rief ich entzückt aus. „Und das hier! Das muss ich mal genauer untersuchen.“
„Das ist unfair.“ Sein Atem streifte heiß und unregelmäßig meinen Hals, als er sein Gesicht an mich drückte, mich leckte und küsste und anknabberte, während seine Hände auf meinen Rücken wanderten. „Du hast nacktes Fleisch unter deinen Händen.
Da ist es nur gerecht, wenn ich das Gleiche bekomme. Ich will nacktes Fleisch. Ich brauche nacktes Fleisch!“
Ich erkannte, dass sein Einwand berechtigt war. Sobald er meinen BH geöffnet und dieses störende kleine Stück Stoff beiseitegeschoben hatte, umfassten seine Hände meine Brüste und seine Daumen massierten gnadenlos meine Brustwarzen. In meinen Zehen bildeten sich winzig kleine Bäche aus Feuer, die langsam nach oben flössen, bis sie sich in meinem ganzen Körper ausgebreitet hatten. Ich fuhr mit den Fingernägeln an seiner Seite entlang und legte den Kopf zurück, um ihm den Zugang zu meinen Brüsten zu erleichtern.
Er zog meinen Pullover aus, warf meinen BH hinterher, und dann fühlte ich sein Haar über meine bloße Haut streichen, als er sich zu mir hinabbeugte und meine Brust mit dem Mund umschloss.
„Okay, das reicht, ich gebe auf.“ Das Gefühl seiner Lippen auf meiner Haut verwandelte meine Knochen in Wackelpudding. Ich bog den Rücken durch und bot ihm meinen Busen auf höchst freche und schamlose Weise dar.
„Eigentlich wollte ich dich quälen und foltern und auf jede nur denkbare Art heißmachen, bis dir der Dampf zu den Ohren herauskommt, aber ich gebe auf. Du bist einfach zu viel für mich. Ich ergebe mich.“
„Baby, wenn du mich auch nur noch das kleinste bisschen heißer machst, explodiere ich“, knurrte Raphael. Der glasige Ausdruck in seinen Augen verlieh seinen Worten Nachdruck. „Nach meiner aktuellen Berechnung bleiben mir noch ungefähr drei Sekunden, bis das passiert.“
Wir entledigten uns unserer restlichen Kleidungsstück in Rekordzeit. Raphael war als Erster im Bett, doch ich ließ ihn nicht lange warten. Dabei ignorierte ich sein schwaches Ächzen, als ich statt auf dem Bett auf ihm landete, spreizte die Beine und setzte mich rittlings auf seine Körpermitte. Während ich meine Hände über seinen Bauch und seine Brust gleiten ließ, dachte ich an all die vielen unterschiedlichen Dinge, die ich mit ihm noch vorhatte.
Raphael fluchte.
„Was?“ Ich erstarrte und fragte mich, was ich falsch gemacht hatte.
„Nur eine Sekunde.“ Er legte beide Hände auf meine Hüften, hob mich von ihm runter und rollte sich zur Seite, sodass er schließlich am Bettrand saß.
„Bleib, wo du bist. Nicht bewegen. Und hör ja nicht auf, an das zu denken, woran du gerade denkst, weil mir das unartige Glitzern in deinen Augen gefällt.“
Ich starrte für einen Moment seinen Rücken an, bis mir klar wurde, was er da gerade machte. „Soll ich dir vielleicht eine kleine Verhüterli-Melodie vorsummen, während du beschäftigt bist? Einen Marsch beispielsweise? Oder lieber was Lateinamerikanisches? Aber vielleicht magst du ja lieber SkaaaaAAAAA!“
Schneller als man „Übergröße“ sagen konnte, lag er auch schon wieder auf dem Rücken und hatte mich auf sich gehoben.
„Warte mal eine Sekunde“, sagte ich. Ich blickte aus meiner Position ungefähr einen halben Meter über seinem Körper nach unten. „Ich weiß genau, was du vorhast, Bob, oder hältst du mich für so dumm? Du wirst mich auf gar keinen Fall mit diesem Ding da aufspießen, ehe ich nicht fürs Aufspießen bereit bin, und das wird erst dann der Fall sein, wenn ich ein paar dieser unartigen Dinge mit dir angestellt habe, die du in meinen Augen hast funkeln sehen. Also lass mich jetzt schön vorsichtig wieder runter und niemand kommt zu Schaden.“
Er grinste und ließ mich langsam runter, bis ich auf seiner Leistengegend landete. „Das fühlt sich an, als ob man auf einem Besenstiel reitet“, sagte ich.
Meine Augen weiteten sich, während ich nun ein bisschen mit den Hüften schaukelte und auf seiner langen, harten Männlichkeit vor und zurück glitt.
Raphaels Hände packten mich um die Hüften, seine Finger gruben sich tief in mein Fleisch, während er seinen Kopf auf dem Kissen hin und her warf.
„Oh Gott! Vielleicht bin ich jetzt doch schon so weit. Wahrscheinlich können diese unartigen Dinge noch ein bisschen warten. Ich war wohl ein bisschen voreilig, als ich ein sofortiges Aufspießen ausgeschlossen habe.“
„Gott sei Dank!“, entfuhr es Raphael in einem Krächzen; seine Stimme war so rau wie Schotter. In einer einzigen geschmeidigen Bewegung hob er mich hoch, brachte sich selbst in die richtige Lage und reckte mir seinen Unterleib entgegen, während ich auf ihn niedersank. Sein Stöhnen verriet reinste Lust, als mein Körper ihn in sich aufnahm. Er war Hitze, er war Feuer, ein sehr, sehr hartes Feuer, das sich seinen Weg in meine empfindsame Höhle bahnte, drängte und stieß und brannte; mich ausfüllte, weitete, mich in eine neue Dimension beförderte, die jenseits all meiner bisherigen Erfahrungen lag und einzig und allein von uns bewohnt wurde. Ich war nicht länger ein einzelnes Wesen, sondern verschmolz mit ihm in einem Akt reinsten Glücks.
Das Letzte, was ich wahrnahm, bevor sich meine Augen verdrehten und ich sie schloss, war sein Rücken, der sich über dem Bett aufbäumte, als ich jeden einzelnen Muskel, den ich besaß, um seine harte, heiße Männlichkeit zusammenzog.
„Weißt du was? Du keuchst fast so schnell, wie dein Herz schlägt, und das will was heißen, wenn man bedenkt, dass dein Puls jetzt so ungefähr bei zweihundert liegen muss.“
Raphael lag neben mir und stöhnte nur. Ich zeichnete ganz entspannt mit den Fingern Kreise auf seine Brust und genoss das kitzelnde Gefühl seines Brusthaars auf meinem Gesicht, wenn ich ihm den ein oder anderen Kuss auf seine heiße Haut drückte.
Seine Brust hob und senkte sich in schnellem Wechsel, weshalb ich mich fragte, ob ich ihm vielleicht die Luft abschnürte. Ich stützte mich mit den Händen auf dem Bett ab und richtete mich ein kleines Stück auf. Augenblicklich landeten seine Hände auf meinem nackten Po und drückten mich wieder runter. Ich lächelte vor mich hin. Wir waren immer noch körperlich vereint
„Wie fühlt es sich an, wenn du ein Kondom benutzt?
Ich meine, danach. Fühlt sich das nicht irgendwie komisch an? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so ein tolles Gefühl ist, wenn all das ... äm ... da unten an dir rumhängt.“
Raphaels Hände glitten wieder nach oben und blieben auf meinem Rücken liegen, doch davon abgesehen erhielt ich auf meine Frage keine Antwort.
Dabei war es eine richtig gute Frage, fand ich. Aber vielleicht war es ihm peinlich, dass er nur ein paar Stöße lang durchgehalten hatte, bevor er kam.
Armer Mann. Länger hatte ich auch nicht gebraucht, aber im Gegensatz zu uns Frauen hängt ihr Ego zum größten Teil von ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit ab. Natürlich sollte er sich auch weiterhin als toller Weiberheld fühlen, also beschloss ich, das Thema zu vergessen und über etwas anderes zu reden.
„Hattest du eigentlich die Gelegenheit, Arielle zu sehen, nachdem die Polizei mit ihrer Befragung fertig war? Ich wollte ihr ja eigentlich ein bisschen Gesellschaft leisten, aber dieser Lakai von Inspektor Bartos ... wie hieß der noch mal? ... ach ja, Kovar ... der wollte, dass ich den ganzen Abend noch einmal mit ihm durchgehe. Arme, arme Arielle.“
„Wie kommt das - obwohl sich Frauen bei der Liebe genauso verausgaben wie Männer, können sie, wenn alles vorbei ist, immer noch Wörter zu Sätzen zusammenfügen, die sogar Sinn ergeben.“
Ich lächelte über seine missmutige Miene. „Das nennt man Nachglühen, mein Schatz. Bettgeflüster ist und bleibt halt die schönste Unterhaltung. Darf ich deiner Äußerung entnehmen, dass ich dich lieber in Ruhe lassen soll, damit du dich ein wenig erholen kannst, statt die wichtigsten Themen des Tages zu diskutieren?“
Raphael grunzte zustimmend, die Augen fest geschlossen. Ich grinste und setzte mich auf. Als ich mein Becken gerade genug bewegte, um ihm ins Gedächtnis zu rufen, dass sein U-Boot immer noch in meinem Hafen lag, riss er die Augen weit auf.
„Baby, ich wünschte, ich könnte deiner Bitte nachkommen, aber ich glaube, du hast mich vor ein paar Minuten gekillt.“
Ich hob den Unterleib ein wenig an und ließ ihn langsam wieder auf ihn hinabsinken, wobei ich ihn so fest umfasste, wie ich nur konnte. Er bäumte sich unter mir auf und sog so ungefähr die Hälfte der im Schlafzimmer enthaltenen Luft auf einmal ein.
„Du fühlst dich aber gar nicht tot an“, sagte ich. Ich beugte mich vor, um die Spitze seiner kleinen, braunen Brustwarze mit meiner Zunge zu verwöhnen.
„Du fühlst dich heiß und hart und überaus lebendig an. Ich kann deinen Puls tief in mir spüren. Hier.“
Ich bewies ihm, dass ich den Kurs für Beckenbodengymnastik nicht umsonst besucht hatte.
„Oh Gott“, stöhnte er, packte mich an den Hüften und hielt mich fest, während er mich auf den Rücken drehte. Er schob meine Beine nach oben, bis sie auf seinen Schultern lagen. Sachte glitt er aus mir heraus, bis nur noch seine Penisspitze in mir war; dann stieß er genauso sachte wieder nach vorne und erfüllte mich mit so viel mehr als nur einem Teil seines köstlichen Fleisches, dass mir angesichts seiner Schönheit die Tränen in die Augen schossen.
„Du meinst, ich hätte dich gekillt?“ Ich schnappte nach Luft und winkelte meine Beine an, um ihn noch tiefer in mich aufzunehmen. „Du wirst mich umbringen, wenn du so was noch einmal machst, das ist dir doch wohl hoffentlich klar.“
Er lächelte ein ziemlich spitzbübisches Lächeln, das so heiß war, dass es mir glatt die Augenbrauen versengte. „Ich werde dich schon nicht umbringen, Baby. Nur auf eine kleine Reise ins Paradies und wieder zurück mitnehmen.“
Und dann setzte er sein Vorhaben in die Tat um.